2. Mai 2016: So verärgert man die Nachbarn: Zuerst fängt bereits um 06:30 Uhr der Bagger mit viel Getöse an zu arbeiten. Dann kann jeder Anwohner sehen, dass nach knapp 13 Jahren heimlich die Helga-Hahnemann-Straße verschwunden ist.
3. Mai 2016: Die Abschottung beginnt. Die Baustelle des Tacheles-Areal wird Stück für Stück von einem undurchsichtigen Bauzaun umgeben. Positiver Nebeneffekt: Mit den Bretterzäunen kann man gut Werbeeinnahmen generieren. Wir sind gespannt, wann die ersten Graffities auftauchen.
4. Mai 2016: Kurz vor Himmelfahrt kommen die „weißen Menschen“. Auf dem Areal sind die Bauleute auf irgendwelche Überreste gestoßen, die von einem Mitarbeiter der Fachfirma Archaeofakt im Schutzanzug auf geschichtlichen Mehrwert geprüft werden. Hausrat oder alte Münzen könnten in der Erde liegen, eventuelle Funde werden ins archäologische Magazin des Landesdenkmalamtes gebracht.
9. Mai 2016: Langsam knirscht es im Untergrund. Immer mehr alte Kellerüberreste kommen am Rande der archäologischen Grabungen zum Vorschein. Die bange Frage für den Bauherren pwr: Ist das Kulturgut oder kann das weg? Denn größere Funde könnten den Zeitplan kippen. Zum Schluss wird es zumindest ein archäologisches Gutachtenfür 50.000 Euro geben.
11. Mai 2016: Nicht nur die Sandhaufen auf dem Tacheles-Areal wachsen in die Höhe. Auch der kleine Schuttberg mit den Betonresten wird größer. Denn jetzt geht es der letzten versiegelten Fläche an den Kragen.
12. Mai 2016: Das blaue Tor, in dem oben einst das Schild „Mittelerde“ groß prangte, ist gefallen. Rund ein Jahrzehnt stand das Tor mit einem kleinem P-Schild am Parkplatz, aber keiner konnte es durchfahren. Denn der Eingang lag am anderen Ende der Johannisstraße.
14. Mai 2015: Pfingstwochenende – und für ein paar Tage kehrt Ruhe ein. In ein paar Tagen sollen die richtigen Tiefbauarbeiten beginnen. Dann entsteht hier eine Baugrube, die mehrere Fußballfelder groß sein wird.
17. Mai 2016: Irgendetwas steckt im Boden. Was da zum Vorschein kommt, ist weit mehr als nur ein normales Fundament. Dicke, breite Betonstreifen verlaufen knapp unter der Oberfläche.
19. Mai 2016: Nach Mitternacht wird es auf einmal lebendig auf dem Tacheles-Areal. Im Schutz der Dunkelheit wird ein Doosan-Spezialbagger herangeschafft. Um 01:10 Uhr schweigen die Motoren.
21. Mai 2016: Jetzt haben die Probegrabung die unmittelbaren Nachbarn erreicht. Nicht nur kleine, mannsgroße Löcher werden direkt an der Grundstücksgrenze zur Johannisstr. 12 gebuddelt. Und mit denen gibt es noch nicht einmal einen Nachbarschaftsvertrag.
25. Mai 2016: Kleine Erdbeben erschüttern nach wie vor die Nachbarhäuser – aber die riesigen Betonstreifen im Boden werden immer weniger. Und damit wächst die Hoffnung auf etwas mehr Ruhe. Derweil kommt Bewegung in die Sandberge, die sich in den vergangenen Wochen immer höher türmten und jetzt abgeholt werden.
27. Mai 2016: In den mannstiefen Gruben kommt langsam die alte Bebauung auf dem einstigen Tacheles-Gelände zum Vorschein. Archäologen prüfen nun, inwieweit diese Mauerreste einen historischen Wert haben.
30. Mai 2016: Was im Baugrund zum Vorschein kommt, sind wirklich die Überreste der Alten Synagoge, die einst hier stand. Die vom Architekten Gustav Stier entworfene Synagoge war über 80 Jahre Gotteshaus der Reformgemeinde, bis die Neue Synagoge in der Oranienburger Straße stand.
3. Juni 2016: Immer weiter frisst sich der Bagger an die Nachbargrundstücke heran. Da es in der Mitte des Tacheles-Areals wegen des Synagogenfundes vorerst nicht weitergeht, werden zunächst die „Ränder“ bis auf drei Meter Tiefe ausgebaggert. Das ist aber erst ein Drittel dessen, was künftig einmal die Baugrube ausmachen soll.
5. Juni 2016: Die Tafel zur Erinnerung an die Alte Synagoge hängt wieder – diesmal am Bauzaun in der Johannisstrasse. 1854 wurde das Bauwerk als Synagoge der Jüdischen Reformgemeinde eingeweiht.
8. Juni 2016: Noch steht das Gebäude des Tacheles, wenn auch seit drei Jahren als ungenutzte Ruine nur. Nach Abschluss der Bauarbeiten soll hier wieder kulturelles Leben einziehen. Aber die alternative Kulturszene dürfte längst eine andere Heimat gefunden haben.
12. Juni 2016: Nach tagelanger Vermessung kehrt in der Ruine der Alten Synagoge Ruhe ein. Zuletzt wurden schrittweise die unterirdischen Rohrleitungen beseitigt, die noch aus DDR-Zeiten stammen. Sie werden schon seit Jahrzehnten nicht mehr genutzt und sind heute nur noch Schrott.
14, Juni 2016: Stück für Stück werden die Überreste des alten Synagogen-Fundamentes beseitigt. Denn demnächst soll es ja mit dem Tiefbau losgehen. Parallel dazu findet im Wohnhaus nebenan die sogenannte Beweissicherung durch skp-Ingenieure www.bauwerkplan.com statt. Und zugleich werden wichtige Vermessungspunkte gesetzt, um später Senkungen feststellen zu können.
16. Juni 2016: Immer wieder kommt irgendwas zum Vorschein, je tiefer es geht: In gut drei Meter Tiefe wird ein neuer Mauerrest gefunden. Tags darauf ist dieser Rest schon wieder Geschichte – schnell beseitigt! Denn gerade erst hatten die Bauarbeiter den Überrest der Alten Synagoge wegschaffen können, der wochenlang für Verzögerungen sorgte.
21. Juni 2016: Jetzt geht’s los. Am Morgen kommt der große gelbe Bohrer auf das Baufeld gerollt, am Abend wird Deutschland Gruppensieger der Fußball-WM. Zwischendurch wird der Bohrer und sein kleiner grüner „Bruder“ am Tacheles-Rand aufgebaut. In den kommenden Monaten soll er Dutzende metertiefe Löcher bohren, um die Begrenzung der Baugrube sichern zu können.
29. Juni 2016: Die sogenannten Gründungsarbeiten kommen gut voran. Mittlerweile sind Dutzende tiefe Löcher dicht an dicht gebohrt, in denen die Stahlträger versenkt werden. Nur wenige Meter entfernt ist derweil in gut 5 Meter Tiefe ein kleiner See entstanden. Also heißt es: Aufpassen! Grundwasser!